3.2.08

Kirchenschließungen im Bistum Hildesheim

"Das Bistum Hildesheim plant, ab dem kommenden Jahr voraussichtlich 80 Kirchen zu schließen. 197 andere Kirchen sind für die Seelsorge jedoch so wichtig, dass das Bistum dort bei Bedarf sogar baulich investieren wird." Mit diesem Paukenschlag setzte die Bistumsverwaltung am 18. Januar viel Aufregung und eine breite, zum Teil heftig geführte Diskussion in Gang.

Details der Pläne für die Region Hannover waren hier bereits zu lesen. Doch diese Region ist nur eine von vielen in meinem Heimatbistum, das zum größten Teil ein klassisches Diaporabistum ist. Vor 100 Jahren lebten hier gerade einmal 201.914 Katholiken. Im Jahr 2006 waren es 645.861, vor zwanzig Jahren noch einmal 100.000 mehr als heute. Für das Jahr 2020 werden noch etwa 552.000 Katholiken erwartet.

Seinen größten Strukturwandel seit der Reformation machte das Bistum in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg durch. Damals stieg die Zahl der Katholiken durch die zahlreichen zugewanderten Heimatvertriebenen und Flüchtlinge sehr stark an. In der langen Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen (1957-1982) wurden mehr als 250 Kirchen gebaut und viele neue Gemeinden gegründet.

Die Heilig-Geist-Kirche meiner heutigen Gemeinde wurde 1960 konsekriert, die St.-Josef-Kirche 1982 als Neubau, der an die Stelle der im 19. Jahrhundert errichteten ersten katholischen Kirche in Stade seit der Reformation trat. St. Michael in Bremervörde wurde 1963 geweiht, St. Michael in Harsefeld 1967, Mariä Himmelfahrt in Buxtehude 1975.

Einer ersten industriell begründeten Zuwanderungswelle im späten 19. Jahrhundert zuzurechnen sind die beiden Kirchen St. Ansgar in Hemmoor-Warstade (1900) und St. Nikolaus in Hechthausen (1936), die aus einem alten Feuerwehrhaus umgebaut wurde. Industrieansiedlungen der 60er und 70er Jahre in Stade zogen und ziehen bis heute Katholiken aus anderen Teilen Deutschlands an. Deshalb und durch die Spätaussiedler aus Polen, Russland und anderen Teilen Osteuropas wächst vor allem die Stader Heilig-Geist-Gemeinde nach wie vor an.

St. Lukas in Fredenbeck (1968) wurde Ende 2003 profaniert und 2004 abgerissen. Viele der in der Nachkriegszeit errichteten Kirchen waren damals nur auf eine Nutzungsdauer von etwa 30 Jahren ausgelegt worden. Sie müssten nun ersetzt oder aufwendig saniert werden. Das Bistum sieht sich dazu nicht mehr in der Lage. Altbischof Josef Homeyer (1983-2004) hatte noch kurz vor Ende seiner Amtszeit ein umfangreiches Eckpunktepapier auf den Weg gebracht, dass den Weg bis 2020 vorzeichnen sollte.

Dieses Papier zieht, nicht ohne Plan und theologische Begründung, die Konsequenzen aus der demographischen Entwicklung des Bistums. Die oben bereits genannten Zahlen führen insbesondere zu einem starken Rückgang der Kirchensteuereinnahmen und machen daher eine Kürzung der Ausgaben zwingend erforderlich. Das Eckpunktepapier beendete insbesondere eine Phase zahlreicher Sparrunden, mit denen das Bistum seit den 90er Jahren versucht hatte, den schwindenden Mitteln hinterherzulaufen.

Einige Strukturentscheidungen sind bereits getroffen und umgesetzt, weitere werden folgen. 109 Gemeinden wurden 2006 zu 36 Gemeinden zusammengelegt, für die Zukunft gibt es einen Gesamtplan. Für 2020 plant die Bistumsverwaltung rund 120 Gemeinden, heute sind es noch 243. Meine Gemeinde soll 2010 mit St. Michael in Bremervörde und St. Ansgar in Hemmoor zusammengelegt werden. Sie bilden heute eine Seelsorgeeinheit und teilen bereits Pfarrer und Kaplan.

Diese Gesamtplanung ist eine der Grundlagen für die im Januar veröffentlichten Schließungs- und Investitionspläne. So hat jede der künftigen 120 Gemeinden mindestens eine Kirche, die unentbehrlich ist und auf absehbare Zeit nicht zur Diskussion stehen wird. Diese Kirchen (Kategorien A und A-S) werden aus dem derzeit 5,5 Mio. Euro pro Jahr schweren Bautopf des Bistums gefördert, auch Investitionen sind möglich. Die Kirchen in Stade, Bremervörde und Hemmoor fallen allesamt in diese Kategorie.

Am anderen Ende des Spektrums stehen insgesamt 80 Kirchen, die als nicht unbedingt notwendig eingestuft werden und für die es Gründe zur Profanierung gibt (Kategorie C 2). St. Nikolaus in Hechthausen gehört zu dieser Gruppe. Dort wird derzeit nur einmal im Monat die Heilige Messe gefeiert. Sie ist allerdings, wie zahlreiche Kirchen im Bistum, als bauhistorisch, architektonisch oder künstlerisch bedeutsam eingestuft worden (Kategorie D). Die Substanz dieser Kirchen soll konserviert werden.

Eine weitere Gruppe von Kirchen beschreibt die Verwaltungsvorlage als zwar ebenfalls nicht unbedingt notwendig, sieht aber derzeit keine Gründe für die Profanierung (Kategorie C 1). Für diese Kirchen wird das Bistum keinerlei Mittel mehr bereitstellen. Dies betrifft zum Beispiel im Eichsfeld, meiner Heimat, alle Dorfkirchen in jenen Gemeinden, die bis 2020 ihre Eigenständigkeit verlieren sollen. Das Eichsfeld ist eines der wenigen katholischen Kernlande im Bistum.

Die meisten Gemeinden dort allerdings wird dieses Verdikt aus Hildesheim wenig kümmern. Sie sind, ähnlich wie einige ebenfalls katholische Stiftsdörfer bei Hildesheim, dank zahlreicher Schenkungen mit Landbesitz ausgestattet, der genug abwirft, um Kirchen und Pfarrheime zu erhalten. Hier haben frühere Generationen wahrlich weit genug in die Zukunft geschaut.

In eine letzte Kategorie B ordnet die Bistumsverwaltung Kirchen ein, deren Bedarf zwar mittelfristig zu überprüfen ist, die aber vorerst weiterhin Mittel für substanzerhaltende Maßnahmen erhalten sollen. Auf diese und die Kirchen der Kategorien A und A-S konzentriert das Bistum künftig seine Baumittel. Um alle Kirchen und sonstigen Immobilien zu erhalten, wären statt der heutigen 5,5 Mio. etwa 11,5 Mio. Euro pro Jahr nötig.

Der jetzt vorgelegte Plan soll in den kommenden Monaten mit den heute 18 Dekanaten diskutiert und Ende des Jahres vom Generalvikar beschlossen werden. Die Profanierungen sollen 2009 beginnen. Von den heute 438 Kirchen des Bistums sollen 197 unbedingt erhalten bleiben (A und A-S), die Zukunft von 56 Kirchen ist zu klären (B). 86 Kirchen werden nicht mehr durch das Bistum finanziert (C 1), 80 Kirchen sollen profaniert werden (C 2). Warum sich diese Zahlen nicht zu 438 ergänzen, hat sich mir noch nicht erschlossen. Seit dem Jahr 2000 hat das Bistum Hildesheim bereits 13 Kirchen geschlossen und profaniert.

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