16.6.07

Unverträgliche Umnutzung

Johann Hinrich Claussen - Propst von Hamburg und seit kurzem Hauptpastor von St. Nikolai - fragt in einem Artikel der heutigen FAZ, "wie viel Umnutzung ... unsere Gotteshäuser" vertragen.

Die Hoffnung, durch Umnutzung den Abriss von Kirchen vermeiden zu können habe, habe ihre Strahlkraft verloren, "die meisten bisherigen Umnutzungsversuche haben enttäuscht": Denn einmal seien Kirchgebäude zu groß und hoch, so daß eine Umgestaltung nicht einfach sei; oft sei schon die Statik ein Problem, aber "auch ästhetisch vermögen solche Umbauten selten zu überzeugen". Dazu kommen die hohen Kosten und die aufwendige Suche nach Investoren.

Doch dahinter gebe es noch "ein inhaltliches Bedenken": "Wie viel Umnutzung verträgt eine Kirche", die eben für den Gottesdienst und eine Gemeinde gebaut sei?

So ist für Claussen die "einzig wirklich überzeugende Umnutzung die Übergabe einer Kirche an eine andere christliche Gemeinschaft", vor allem an die Orthodoxen. Pfingstgemeinden, eine andere wachsende Gruppe, seien zu klein und zu labil für eine Übernahme.

Den Erhalt von Kirchengebäuden aus rein baugeschichtlichen Gründen hinterfragt Claussen sehr kritisch, sie scheint ihm zu einem "Potemkinschen Denkmalschutz zu führen: Man erhält unter großen Mühen die Fassade, doch hinter ihr geschieht etwas ganz anderes." Da wäre es "praktikabler und ehrlicher, in genau geprüften Einzelfällen einen Abriss vorzunehmen".

PS: In seinem Buch "Zurück zur Religion" widmet Claussen ein ganzes Kapitel dem Thema "Kirchenbauten und Kirchenschließungen".

3.6.07

Im Kirchenraum ist immer 'Kirche'

Joseph Kardinal Ratzinger in seinem Eucharistie-Buch "Gott ist uns nah", zitiert nach Liminski:
"Immer ist der Herr da. Die Kirche ist nicht bloß ein Raum, in dem in der Frühe einmal etwas stattfindet, während er den Rest des Tages ,funktionslos‘ leer bliebe. Im Kirchenraum ist immer ,Kirche‘, weil immer der Herr sich schenkt, weil das eucharistische Geheimnis bleibt ... Wir alle wissen, welch ein Unterschied ist zwischen einer durchbeteten Kirche und einer solchen, die zum Museum geworden ist. Wir stehen heute sehr in der Gefahr, dass unsere Kirchen Museen werden und dass es ihnen dann geht wie Museen: Wenn sie nicht verschlossen sind, werden sie ausgeraubt.

Sie leben nicht mehr. Das Maß der Lebendigkeit der Kirche, das Maß ihrer inneren Offenheit, wird sich darin zeigen, dass sie ihre Türen offen halten kann, weil sie durchbetete Kirche ist ... Dagegen könnte sich mit Recht der immer wieder zu hörende Einwand richten: Ich kann ja auch im Wald, in der freien Natur beten. Gewiss kann man das. Aber wenn es nur dies gäbe, dann läge die Initiative des Betens allein bei uns; dann wäre Gott ein Postulat unseres Denkens – ob er antwortet, antworten kann und will, bliebe offen. Eucharistie aber bedeutet: Gott hat geantwortet. Wenn wir in der eucharistischen Gegenwart beten, sind wir nie allein. Dann beten wir im Raum der Erhörung ... Solches Beten müssen wir neu suchen."

Eine Frage der Identität

Jürgen Liminski in der Tagespost mit einer interessanten Analyse des aktuellen Kirchenschwindens in Deutschland, sowie einigem an Statistik und spirituell-theologischer Einordnung.
"Deshalb geht es nicht nur um eine „Umwidmung“, wenn eine Kirche baulich nicht mehr gehalten werden kann, noch um eine schlichte Profanierung. Jedes Mal, wenn eine Kirche geschlossen oder einer weltlichen Nutzung zugeführt wird, stirbt auch ein Stück Kirche. Das Beispiel der blühenden Gemeinden in Nordafrika und Kleinasien, von denen heute außer den geistlichen Impulsen (etwa Augustinus als Bischof von Hippo oder die zehn Nothelfer aus der Türkei) und einigen Mauerresten nahezu nichts mehr übrig geblieben ist, dürfte Mahnung genug sein. Wenn es nicht gelingt, die Kirche als solche von innen heraus zu beleben, werden die Gemeinden in Europa den gleichen Weg gehen.

Man kann Gebäude „auf Zeit stilllegen“. Mit dem Glauben geht das nicht. Mauern können stehen, als stumme Zeugen. Der Glaube lebt – oder stirbt. Wenn niemand mehr in die Kirche kommt, dann sollte wenigstens der Pfarrer beten, so wie Jean Marie de Vianney, der Pfarrer von Ars, der eine heruntergekommene Kirche und Gemeinde vorfand und damit anfing, die Eucharistie auszusetzen und zu beten. Jahre später waren es Hunderttausende, die in den kleinen, unscheinbaren Ort in der Nähe von Lyon kamen, um zu beten, zu beichten, zu glauben."