30.1.06

Abreißen oder anders nutzen

Bischof Norbert Trelle von Hildesheim:

"Wenn eine Kirche baufällig ist, mag sie noch so viele Erinnerungswerte haben, und es nicht sinnvoll ist, sie für eine Handvoll Leute zu restaurieren, dann muß man sie abreißen oder in eine andere Nutzung überführen. (...) Uns ist bis zur Wiederkunft Christi ja nicht verheißen, daß jeder Stein auf dem anderen bleibt." (Welt)

18.1.06

die noch nie zum Gottesdienst erschienen sind

Rudolf Maria Bergmann in der Frankfurter Rundschau anlässlich einer Ausstellung in der Kunsthalle Krems [via Perlentaucher]:
Die Sehnsucht nach einer verlässlichen Religion wächst in dem Maß, wie die materiellen Sicherheiten schwinden, unbeherrschbare Bedrohungen zunehmen und die Heilsversprechen der totalen Ökonomisierung immer windiger klingen. Angesichts des Verlusts sittlicher und moralischer Werte in der sinnentleerten Turbowelt kehrt das Interesse zurück für Religionsgemeinschaften mit scharf konturiertem Profil. Dem entsprechend sind in Deutschland Umnutzung und Abriss von Kirchen eher ein Problem des protestantischen Nordens als im katholischen Süden, obwohl auch da Steuerausfälle und Sparwahn die Situation in den Diözesanbauämtern zuspitzen.

Steht jedoch eine Kirche zum Verkauf, engagieren sich häufig sogar Bürger für den Erhalt, die noch nie zum Gottesdienst erschienen sind. Offenbar sind Sakralbauten tief im menschlichen Bewusstsein verankert, weil sie das Bedürfnis nach einem Ort erfüllen, der anders ist als die Alltagswelt und aus dieser Distanz besondere religiöse Erfahrungen und Wahrnehmungsmöglichkeiten schafft. Zudem sind Kirchen die letzten kostenlos zugänglichen, nicht überwachten Oasen im neoliberal umgepflügten Stadtraum. Das macht Neubauten nicht einfacher, denn wachsendes Interesse und sinkende Mitgliederzahlen treffen aufeinander.

16.1.06

96 Kirchenschließungen im Bistum Essen

Schon ab 2007 streicht das Bistum Essen die Mittel für 96 Kirchen, gut ein Viertel aller Kirchen des Bistums. Sie werden "aufgelöst oder umfunktioniert", berichtet Radio Vatikan und zitiert Ruhrbischof Felix Genn:
"Es gibt keine Moschee. Ich will keine Nachtbars. Ich bin sehr vorsichtig, was Gaststättengewerbe angeht. Es kann ja auch sein, dass eine Pfarrei sagt, wir machen daraus unseren Pfarrsaal, und da ist noch ein gottesdienstlicher Raum, den wir davon abtrennen. Wir werden das sehr genau prüfen. Und ich habe im Augenblick gar nicht viel Lust, mir Szenerien auszumahlen die nicht gehen."
Die Auseinandersetzungen um die Marienkirche in Bochum sind also nur der Anfang.

5.1.06

Kirchen zu Wellness-Tempeln

Am vergangenen Sonntag war ich in der vorletzten Sonntagsmesse, die in der Klosterkirche des Redemptoristen-Klosters in Hennef-Geistingen gefeiert wurde. Sehr bewegend. Die Kirche war richtig voll, und für den zelebrierenden Pater war es offenbar seine letzte Messe in dieser Kirche. Bei der Einladung zum Credo stockte ihm die Stimme, und vielen in der Gemeinde gingen, wie auch mir, die Worte nicht eben leicht von den Lippen.

Am gleichen Tag berichtete die Welt am Sonntag unter dem passenden Titel Klosterkirchen werden zu Wellness-Tempeln [via kreuz.net]:
Die Anlage wurde verkauft. Whirlpool statt Weihrauch heißt bald das neue Motto, die Kirche wird zum Wellness-Tempel. Wenn auch vor Gott alle gleich sind, so wird es künftig im Kirchengebäude einen VIP-Bereich geben, in dem der indische Physiotherapeut die Prominenz betreuen wird, zum Beispiel Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher. Im denkmalgeschützten Klostergebäude entstehen außerdem 52 Eigentumswohnungen. Zehn weitere Apartments sind in den ehemaligen Stallungen geplant. Die Kirche nennt die Umwandlung von Gotteshäusern Profanierung oder Entweihung. "Das ist ein Ritus, der dem Gebäude die Bedeutung einer Kirche nimmt", erklärt Pater Viktor Hahn. Er hat 51 Jahre lang im Kloster gelebt und denkt nun mit Wehmut daran, Geistingen den Rücken zu kehren. Einige Klostermitglieder sprechen sogar von einem "irrsinnigen" Schritt, doch einzigartig ist er nicht. Die Tage zahlreicher Sakralbauten sind gezählt. Die katholische Kirche wird in den nächsten zehn Jahren rund 700 der derzeit 24 500 Kirchengebäude schließen.
Der ausführliche Bericht über die Situation in Deutschland schließt mit einem Blick in die Niederlande.
Dort haben die Gemeinden zahlreiche Objekte verkauft. So war die katholische Kirche in Amsterdam 1970 noch im Besitz von 44 Gebäuden. Heute sind es kaum mehr 20 Immobilen.
Die reformierten Kirchen haben in den vergangenen Jahren rund 40 Prozent ihrer Sakralbauten abgestoßen. "So weit wird es in Deutschland nicht kommen", meint Christof Vetter von der Evangelischen Kirche in Deutschland. Auch als alternative Finanzspritze in Zeiten sinkender Einnahmen hält Vetter den Verkauf für nebensächlich: "Aber kein vernünftiger Mensch würde auch nur eine Sekunde darüber nachdenken, diese Filetstücke abzugeben. Oder glaubt tatsächlich jemand ernsthaft, daß die evangelische Kirche das Ulmer Münster oder den Hamburger Michel verkauft?"
Zu hoffen wäre es.